„Wasser kann Wasser nicht abwaschen. Staub kann nicht durch Staub verunreinigt werden.“ Chinesisches Sprichwort
Ein Regenbogen bereitet kindliche Freude wie bunte Bonbons, die auf der Zunge zergehen. Das Werk von Wang Lingjie und Hao Jingfang hat nichts Süßes an sich, eher einen wissenschaftlichen Hintergrund, und doch bringt es uns zum Träumen und Staunen. Für die Künstler:innen ist Kunst nutzlos und muss sich im Alltag selbst überflüssig machen.
Hao Jingfang und Wang Lingjie sind ein chinesisches Künstlerpaar, das seit einem Jahrzehnt in Frankreich lebt. Nach ihrer formal strengen Ausbildung an einer Ingenieurschule in Shanghai und an den eher konzeptualistischen französischen Kunsthochschulen haben sie ein explosives und poetisches Duo gegründet. Sie entfalten ein Werk, in dem Staub, Pulver, Pollen, Sand und Farbe ausgeschüttet, untersucht und dosiert werden und sich in Wolken, Regenbögen oder feinen Tropfenflüssen materialisieren. Die gewählten Namen der Werke deuten auf eine starke Verbundenheit mit dem Universum hin: Arc-en-ciel, Gravité, Sun is drawing, Champ d‘étoiles.
Mit solidem technischem Know-how, physikalischen Werkzeugen und einer eingehenden Untersuchung von Licht und Bewegung gestalten die Künstler:innen eine Welt mit Bezug zu den oft unsichtbaren Elementen, die die Grundlage des Universums bilden: die aus dem Licht hervorgehende Farbe, der Dampf, der ständig in der Luft ist, die kleinen Partikel usw.
In Over The Rainbow verteilen sich Milliarden von Glasmikrokugeln zu einem großen mineralischen Fleck, der den natürlichen Prozess von Wassertropfen und Licht nachahmt. Die Betrachter:innen müssen um das Kunstwerk herumgehen, damit das Auge dem farbigen Bogen folgen kann – ein glückliches, vergängliches Ereignis.
Auf der ständigen Suche nach Gleichgewicht und Harmonie ist das Werk von Hao Jingfang und Wang Lingjie nicht Teil eines direkten politischen Akts, wie es einige ihrer chinesischen Altersgenossen zu Beginn der 2000er Jahre tun konnten, sondern Teil eines eher meditativen Prozesses. Kleine Verschiebungen, kleine Sandkörner können die Dinge ins Stocken bringen. Der Kreislauf und die Vergänglichkeit stehen im Mittelpunkt ihres Ansatzes, ebenso wie Zeit und Raum.